Double-MS mit vier Kleinmembran Kondensatormikrofonen (Niere) auf Surround 5.1 ITU

Nicht immer, wenn man Double MS aufnehmen möchte, hat man ein Mikrofon mit der Charakteristik "Acht" zur Hand. Gerade bei Kleinmembran-Kondensator Mikrofonen ist das eine Herausforderung, denn es gibt leider nicht mehr all zu viele von ihnen.
Natürlich gibt es die im Profi-Segment und dort entsprechend gute, aber sobald man in die nächste Preisregion darunter nach Kleinmembran-Kondensator Mikrofonen mit der Charakteristik "Acht" sucht, wird es sehr schnell schwierig etwas Passendes zu finden.

Da ist es gut zu wissen, dass man das auch etwas anders lösen kann, auch wenn es  nicht so ganz kompakt ist und in die üblichen Windschutzkörbe passt.
Aber daran arbeiten wir zur Zeit. Da es nicht so ganz einfach ist, kann es noch etwas dauern. Die ersten Prototypen sind jedoch vielversprechend.

Zum besseren Verständnis hier mal ein beispielhafter Aufbau:

Hier sieht man einen Aufbau mit vier AKG P 170 Kleinmembran-Kondensator Mikrofonen mit AKG Standard Schaumstoff Windschützen.
Wenn die Blätter etwas lauter rascheln, weil etwas mehr Wind aufkommt, hört man schnell die Grenzen dieser Windschütze.

Das Mikrofon mit dem grünen Ring ist die Niere, die nach vorne zeigt und die wir "Front" genannt haben in dem Template. 
Das Mikrofon mit dem roten Ring ist die Niere, die nach hinten zeigt und mit "Rear" bezeichnet wurde.
Das Mikrofon mit der Charakteristik "Acht" wird hier aus dem nach links, bzw. nach rechts gerichteten Mikrofonen gebildet. (gelb und blau)

Diese beiden "seitlichen" Mikrofone haben wir in eine Gruppe zusammengefasst und die Phase entsprechend der unteren Skizze gedreht. So haben wir dann auf einem Kanal das gleiche Signal, was sonst eine "Acht" geliefert hätte.

Nun kommen wir zum Routing der Kanäle in Reaper auf eine Mehrkanalspur. Auf dieser Spur aktiviert man das "Double-MS Plugin" seiner Wahl, im unseren Fall das kostenfreie Double-MS Plugin von Schoeps. Dieses Plugin bekommt man über Plugin-Alliance. Dazu muss man sich einen kostenfreien Account dort anlegen und dann kann man sich das Plugin herunterladen. Es gibt dieses Plugin für alle gängigen DAWs.

Das besondere an diesem Double-MS Plugin ist das nicht wirklich intuitive Routing,  doch dazu gleich mehr.
Wenn man sich das Plugin einmal ansieht, dann fällt sofort auf, dass es kein LFE Signal ausgibt, also "nur" ein 5.0. Deswegen wird dieser Mehrspurkanal (DMS) in einen weitere Mehrkanalspur übergeben, die dann 6 Spuren hat und somit 5.1 ITU ermöglicht. Auf dem Weg dahin wird durch geschicktes Routing der LFE Kanal hinzugefügt.

Das Signal für den LFE Kanal, kann man auch vor Ort gleich mit aufnehmen. Doch dann braucht man fünf Kanäle für die Aufnahme und ein zusätzliches Mikrofon. Empfehlung ist dafür eine "Kugel" zu verwenden, weil sie im Bassbereich empfindlicher aufnimmt.
Wenn man wie in diesem Fall kein separates Mikrofon für den LFE Kanal verwenden kann, weil der Field Recorder, den wir hierfür verwendet haben "nur" 4 Eingänge für externe Mikrofone hat, dann kann man sich mittels einer Kopie einer Spur (hier "Front") und einem darauf aktivierten Hochpass Filters alle Frequenzen unterhalb von ca. 85 Hz absenken und bekommt so ein LFE Signal. Nicht optimal, aber besser als nichts.

Nun kommen wir zum Routing, speziell für das Routing der Kanäle zur Gruppe "DMS".

Beginnen wir von oben: Front (grün)

Zum besseren Verständnis werfen wir mal einen Blick auf das Routing.

Zunächst fällt auf, dass es sich um eine Multichannel Spur handelt mit vier Tracks. Das ist notwendig, denn für das DMS Plugin benötigen wir drei Spuren (Front, Rear, Side) und da Reaper entweder zwei oder vier Tracks pro Spur bietet, verwenden wir vier.

Nachdem wir ein neues Rounting dieser Spur mittels "Add new send ..." zu "DMS" ausgewählt haben.

Wählen wir in dem neu hinzugefügten Element bei "Audio" mit einem Klick auf den Pfeil nach unten zunächst "Multichannel Source", dann "4 channels" und schließlich "1-4" aus. Neben dem kleinen schwaren Pfeil ist ein weiteres drop-down Fenster in dem wir die Spur "2" auswählen. Damit wird dieser Kanal auf den Kanal 1 der Multichannel Spur von DMS geroutet. Genau da wo wir sie hinhaben möchten. Denn das Front Signal für das DMS Plugin muss auf Kanal 1 in das Plugin gelangen.

Nach demselben Verfahren macht man das für "Rear", hier wird auf den Kanal 2 und für Side wird das Signal auf Kanal 3 des DMS Multichannel Track geroutet.

Nun werden die Spuren "Rear" und "Side" stumm geschaltet und dann darf im DMS Plugin nur noch die Aussteuerungsanzeige bei "INPUT LEVEL" bei "Cardioid Front" ausschlagen. Abhängig vom Signal ergeben sich bei "OUTPUT LEVEL" entsprechende Anzeigen. In aller Regel sollte auf allen Output Kanälen etwas sichtbar sein.

Jetzt wird "Front" stumm und "Reat" aktiv geschaltet und es sollte im Prinzip so aussehen:

Ein Eingangssignal bei "Rear Cardioid und bei den Ausgängen im Prinzip ein Bild, wie hier gezeigt. Also eine starke Betonung der "Surround" Kanäle und ein bißchen auf den vorderen Kanälen. Das kann natürlich von Fall zu Fall ein wenig variieren und hängt natürlich vom Eingangssignal ab.

 

Jetzt wird die Spur "Rear" wieder stumm geschaltet und die Spur "Side" wird aktiviert.

Jetzt zeigt sich ein Eingangssignal nur bei "Figure of Eight". Das ist richtig und genau so richtig ist der Teil, der mit dem roten Pfeil markiert ist. 

Im "Center" Ausgangskanal darf kein Signal erscheinen, dafür aber auf den anderen Kanälen, je nach Eingangssignal halt mehr oder weniger. 

Der Grund warum auf dem "Center" Ausgangskanal nichts erscheinen darf ist offensichtlich. Die "Figure of Eight", was im Deutschen der Mikrofoncharakteristik "Acht" entspricht, hat in Richtung "Center" eine sehr geringe Empfindlichkeit. So ist es keine Überraschung, dass hier nichts aufgenommen wird. Und das soll genau so sein.

Also, alles in Ordnung soweit. Doch bis jetzt ist das "nur" Surround 5.0, weil ohne das LFE oder Subbasssignal.

Das wird jetzt im Kanal "Surround Bus" zu den Surround Kanälen hinzugefügt.

Im rechten Teil bei den "Receives" wird das DMS Signal mit seinen fünf Kanälen auf diesen sechskanaligen Track eingespeist.

Der Receive von LFE wird ganz unten auf die Spur "4" geroutet, wo sie nach den Vorschriften von 5.1 ITU (internationaler Standard) hingeroutet werden muss.

 

Wenn man jetzt die DMS Spur muted, also stummschaltet, dann sieht man nur noch einen Pegelausschlag auf Kanal vier. Das ist hier auf dem Screenshot etwas schwer zu erkennen, aber wenn man etwas genauer hinsieht, erkennt man es.

Also, soweit alles in Ordnung. Kommen wir zum letzten Schritt.

Dazu weisen wir auf dem Master als "FX" (Effekt) das Plugin "ReaSurroundPan (Cockos)" zu. Das sieht dann so aus: 

Man sollte sicherstellen, daß oben rechts in der Ecke das Feld "4=LFE" angewählt ist, sonst wird der LFE nicht oder irgendwohin geroutet und die Anzahl der Kanäle auf "6" steht und wo hier "5.1 ITU" zu sehen ist, kann man auch andere Surround Layouts auswählen. Wir arbeiten heute mit 5.1 ITU.

Hier werden die einzelnen Kanäle (L,C,R,LFE,Ls,Rs) dargestellt. In dieser Ansicht wurde ganz unten auf die Ansicht "LFE" umgeschaltet. In aller Regel ist dieser Kanal auf dem Level "inf" also "Aus". Dann hört man keinen Subbass und das wäre schade. Also den Regler auf das gewünschte Level schieben und los geht's.

Eine Schlussbemerkung noch: Das klingt alles sicherlich ganz ordentlich, wird aber niemals den Ansprüchen eines Hollywood-Blogbusters gerecht. Aber das überlassen wie einfach denen, die auch die dafür erforderliche Ausrüstung haben.
Aber verstecken oder gar schämen muss man sich für die unserem Setup gemachten Aufnahmen aber auch nicht.

Jetzt die Surround Anlage vorwärmen und dann wünschen wir Ihnen viel Spaß.